Hier geht es um ein Modellvorhaben, bei dem eine wenig genutzte Kultur wie Sommerroggen, die für bestimmte ökologisch bewirtschaftete Standorte wie sandige, nährstoffärmere, trockengefährdte Standorte aber eine sehr sinnvolle Alternative ist, mit einem der Nutzungsintensität angepassten Sortenentwicklungs- und -erhaltungsaufwand, der dann auch dauerhaft zu leisten sein könnte, zu neuer Attraktivität gebracht wird. Dabei wird ganz bewusst unter den für die Kultur typischen, extensiven und dabei zugleich ökologischen Bedingungen selektiert.
Ökologisch erzeugtes Sommerroggensaatgutes wird in Niedersachsen gegenüber dem Bundesgebiet extrem überdurchschnittlich verwendet, was auf die besondere Eignung für in Norddeutschland weit verbreitete, sandigere Standorte und zugleich die potentielle Eignung als Brotgetreide zurückzuführen ist. Da Sommerroggen aber eine insgesamt nur geringe Anbaubedeutung hat, ist auch das Angebot an Sorten, die noch dazu unter mehr oder weniger intensiven konventionellen Anbaubedingungen entwickelt wurden, sehr klein. Auf Anregung des Erzeugerzusammenschlusses Öko-Korn-Nord wurde daher im Jahr 2010 damit begonnen, zunächst einen Lichtkornroggen-Eliteramsch aus der Winterroggenzüchtung in Darzau auf 270m² im Frühjahr anzubauen.
Die aus dem ersten Anbau zur Abreife gekommenen Ähren wurden 2011 auf neun Kleinparzellen als Einzelährennachkommenschaften neben einem Sommerroggen-Erbsen-Gemisch mit der Sommerroggensorte Arantes ausgesät. 2012 wurden dann 21 Kleinparzellen angebaut, inklusive einiger genetischer Ressourcen aus der Genbank des IPK Gatersleben. 2013 wurde noch ein kleines Sortiment vorselektierter Landsorten von dem Getreideforscher Hans Larsson aus Schweden hinzugenommen, so dass der Umfang auf insgesamt 40 Kleinparzellen anwuchs, aus denen dann ca. 600 Einzelähren von Hand geerntet wurden. Die ausgewählten Ähren gingen mütterlicherseits zu 60% auf Lichtkornroggen, 15% auf Arantes und 25% auf 18 verschiedene genetische Ressourcen zurück. Damit war die Basis für die weitere Züchtungsarbeit geschaffen. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Arbeiten in der Getreidezüchtungsforschung Darzau noch als Anhang an die Sommerspeisegerste geführt werden, deren Bearbeitung von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft gefördert worden war.
Zur Isolation gegen Fremdbestäubung werden die Sommerroggenparzellen in einem Sommergerstenfeld angelegt und darauf geachtet, dass im Umfeld von mindestens einem Kilometer keine anderen Sommerroggen angebaut werden. Aufgrund des gegenüber Winterroggen um ca. zwei Wochen späteren Blühzeitpunkts, kann die Gefahr der Einstäubung von Winterroggen vernachlässigt werden, obwohl dieser in der Region häufig vertreten ist.
Mit Unterstützung des Landes Niedersachsen (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) konnten dann im Jahr 2014 erstmals 480 Einzelährennachkommenschaften auf 80 Kleinparzellen zu je 1m² mit 6 Drillreihen angebaut werden, wobei aus genetischen Ressourcen abstammende Nachkommenschaften noch zwischen denen standen, die auf Lichtkornroggen oder Arantes zurückgingen, so dass eine letzte gute Durchkreuzung ermöglicht wurde. Sehr lange Einzelpflanzen wurden vor der Blüte entfernt. Da alle auf genetische Ressourcen zurück gehenden Linien besonders langwüchsig, standschwach und mehltauanfällig waren, wurden aus diesen selbst keine Einzelpflanzen mehr geerntet. Am Parzellendrusch, bei dem je sechs bereits näher miteinander verwandte Nachkommenschaften zusammen gedroschen wurden, konnten die Tausendkorngewichte (TKG) und die Stärkeverkleisterung bestimmt werden. Das TKG lag in der Population im Mittel bei 40g und die Stärkeviskosität, gemessen in Rapid Visco Units (RVU) bei 120, was gegenüber Winterroggen noch als unterdurchschnittlich zu bezeichnen ist. Da nunmehr bereits Einzelpflanzen mit je zwei Ähren geerntet worden waren, konnten im Jahr 2015 aus 160 Einzelpflanzennachkommenschaften 160 Kleinparzellen (1m² Nettofläche) bestückt werden, so dass also auch zur Ernte einzeln gedroschene Parzellen auf eine Mutterpflanze aus dem Vorjahr zurückgeführt werden konnten. Im Jahr 2016 wurde wie im Vorjahr verfahren, jedoch mussten nun wieder Einzelähren aus den Mutterpflanzennachkommenschaften geerntet werden, da aufgrund einer erst Mitte April möglichen Saat und nachfolgender verhältnismäßig schwacher Entwicklung nicht genügend Körner von nur einer Pflanze hätten geerntet werden können, um wieder eine vollständige Kleinparzelle bestücken zu können. In diesem Entwicklungsstadium der Population ist eine solche Flexibilität in der Vorgehensweise unabdingbar. Zur Aussaat 2017 ist der Anteil der über den Mutterstammbaum auf Lichtkornroggen zurückgehenden Nachkommenschaften auf über 85% aller Parzellen angewachsen. Allerdings verteilen sich die für Lichtkornroggen charakteristischen Merkmale in der Population noch sehr und auch die für Lichtkornroggen typisch großen Ähren sucht man hier noch vergebens. Dafür ist die Vegetation mit maximal 150 Tagen für die Sommerung gegenüber um die 300 Tagen für die Winterung zu kurz. Das Selektionsverfahren kann klassischerweise als Mutterstammbaumselektion bezeichnet werden, da die Abstammung nur über die Mutterlinien zurückverfolgt werden kann, der Pollenspender aber theoretisch aus fast allen Nachbarparzellen stammen kann, wobei die Herkunft aus den Allernächsten aber wahrscheinlicher ist. Eine Modifikation der Pollenwolke erfolgt nur über die Entnahme von Einzelpflanzen vor der Blüte.
Für die Aussaat 2018 wurde der Umfang des Zuchtgartens aufgrund der Ergebnisse der ersten parallel in 2017 durchgeführten Ertragsprüfung auf 720 Einzelährennachkommenschaften, die sich auf 120 Ährennachkommenschaften aus dem Vorjahr zurückführen lassen verkleinert. Aus diesen Microplots wurden dann 500 Einzelpflanzennachkommenschaften mit je zwei Ähren pro Pflanze geerntet und anhand aller verfügbaren Ergebnisse und der Kornbeschaffenheit auf 160 reduziert, die in 2019 wieder als Einzelpflanzennachkommenschaften auf 160 Microplots ausgesät wurden. Leider dezimierte ein Hagelschlag Mitte Juni 2019 die erzielbaren Erntemengen so stark, dass wiederum nicht genügend Saatgut für eine Ertragsprüfung in 2020 geerntet werden konnte. Dafür wurde aber verstärkt auf geringere Braunrostanfälligkeit selektiert und an den entnommenen Einzelpflanzennachkommenschaften alle grau-grünen Körner vollständig entfernt, so dass der Übergang zur vollständigen Hellkörnigkeit nun rascher vollzogen werden kann. Dies führt dann aber zu einer Verkleinerung des Zuchtgartens auf 60 Microplots in 2020, aus dem erst wieder Einzelpflanzennachkommenschaften für 160 Kleinparzellen in 2021 entnommen werden können.
Mit Unterstützung des Landes Niedersachsen (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) und Co-Förderung von Öko-Korn-Nord konnte im Jahr 2017 erstmals am Standort Köhlingen bei Tosterglope eine Ertragsprüfung mit 117 Zuchtlinien der Population im Vergleich zu Arantes angelegt werden. Nach Aussaat am 8. April entwickelten sich die Bestände sehr gleichmäßig und gut, aufgrund der feuchten Witterung sogar so üppig, dass in den mit 350 kf.Korn/m² angesäten Ertragsparzellen über den ganzen Versuch hinweg eine sehr gute Bodendeckung und Beikrautunterdrückung erzielt wurde, so dass auf Beikrautregulierungsmaßnahmen verzichtet werden konnte. Allerdings ging die gesamte Sommerroggenertragsprüfung inkl. Vergleichssorte aufgrund der üppigen Entwicklung als einzige Getreidekultur der Getreidezüchtungsforschung Darzau komplett ins Lager. Nur wenige Zuchtstämme zeigten eine etwas geringere Lagerneigung. Die schwache Standfestigkeit war auch darauf zurückzuführen, dass der Sommerroggen zum Zeitpunkt der heftigen Niederschläge noch mehr grüne Blattmasse als Angriffsfläche für Wind und Regen aufzuweisen hatte als die anderen Kulturen, die schon in der Abreife waren.
Das Ährenschieben fand innerhalb von drei Tagen ab dem 1. Juni statt und zeigte damit die bereits erreichte Gleichmäßigkeit in diesem Merkmal. Der Befall mit Schwarzrost blieb auf einem erneut sehr niedrigen Niveau. Auch Blattfleckenbefall trat nicht auf. Der Mehltaubefall differenzierte auch in der Vegetation 2017 wie bereits im Vorjahr nur sehr schwach. Die Wüchsigkeit in der Jugendentwicklung war insgesamt sehr gleichmäßig und ausreichend üppig, eher schon zu üppig ausgebildet. Im Vergleich zum Winterroggen war das Auftreten von Mutterkorn sehr viel stärker ausgeprägt, jedoch waren keine sorten- bzw. linienspezifischen Unterschiede erkennbar. Vielmehr handelte es sich um Randpflanzen oder Spätblüher, denen offensichtlich nicht genügend Pollen zugetragen wurde. Die Pollenschüttung macht beim Sommerroggen insgesamt einen schwächeren Eindruck, jedoch müssten dazu genauere Erhebungen gemacht werden, um belastbare Aussagen generieren zu können.
Der Drusch der Ertragsprüfung erfolgte am 10. August. Der Parzellendrusch wurde nachgetrocknet, gewogen, gereinigt und aufbereitet. Von den Parzellenernten wurden die Gesamtgewichte und die Tausendkorngewichte festgestellt, Kleinproben abgenommen, vermahlen und mittels Fallzahl und Schnellamylogramm auf Stärkeverkleisterung bzw. Enzymaktivität untersucht. Von den 117 mit Arantes verglichenen Zuchtlinien hatten 20 einen Ertrag wie Arantes oder darüber, was einem Anteil von 17% der geprüften Linien entspricht. Der Ertragsdurchschnitt aller Parzellen lag bei 24,8 dt/ha mit einem Spektrum von 15,9 bis 28,1 dt/ha (Standardabweichung: 0,7dt/ha). Somit erreichte die ertragsstärkste Zuchtlinie nur einen um 5% über Arantes liegenden Ertrag, der seinerseits bei 26,6 dt/ha lag. Interessant war das in der Zuchtgartenpopulation tendenziell höhere Tausendkorngewicht von 30 bis 42g mit 34,7g zum Vergleich für Arantes. Die Untersuchung auf Stärkeverkleisterung ergab ein noch sehr breites Datenspektrum von sehr niedrigen ViscoUnits von 48 (Vorjahr 52, Vorvorjahr 64) bis 164 (Vorjahr 143, Vorvorjahr 172) mit 130 für Arantes. Die Werte bei den Fallzahlen waren vergleichbar breit gestreut von 87s bis 266s und einem Wert von 214s für Arantes. Bei den ViscoUnits beginnen die technisch niedrigstmöglichen Werte bei 20, wogegen die Fallzahl erst bei 61 beginnt. Eine Korrelation der Verkleisterungswerte mit den Vorjahreswerten zeigte eine weitere Steigerung gegenüber den beiden Vorjahren. Die Werte aus der Ernte 2015 waren mit denen der Ernte 2014 noch nicht signifikant korreliert. Die Viskositätswerte der Ernte 2016 wiesen bereits eine hochsignifikante Korrelation von r=0,39*** zu den Vorjahreswerten auf und die Werte der Ernte 2017 mit r=0,51*** eine weitere Anhebung, was eine Selektion auf diese Eigenschaft im bestehenden Zuchtgartensystem erfolgversprechend macht.
Das Jahr 2017 war kein für Sommerroggenstandorte, die in Deutschland meist durch Trockenstress und magere Standortbedingungen gekennzeichnet sind, typisches Jahr. Obwohl zum Zeitpunkt der Niederschrift noch zwei Monate bis Jahresende fehlen, ist jetzt schon absehbar, dass es so viel Niederschlag wie in 2017 an diesem Standort in den letzten 30 Jahren nicht gegeben hat. Aber auch damit muss ein Sommerroggen zurechtkommen.
Das für den Aufbau der Population ursprünglich verwendete Ausgangsmaterial hat das durchschnittliche Ertragsniveau und auch die Stärkeverkleisterung gegenüber der Handelssorte stärker absinken lassen als erwartet, wie dieses erste Ertragsprüfungsjahr gezeigt hat. Jedoch zeichnen sich bei den Korngewichten bereits Verbesserungen ab und auch hinsichtlich Ertrag und Fallzahl sind Anhebungen in Aussicht, die aber nur schrittweise und nicht vorschnell komplett vollzogen werden können, da sie mit einem Verlust an Anpassungspotential einhergehen würden. Denn Standfestigkeit und Pflanzengesundheit müssen auch im Blick behalten werden, selbst wenn dergleichen Zuchtlinien im Ertrag derzeit noch schwächer sind als vergleichbare Handelssorten.
Mit Unterstützung des Landes Niedersachsen (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) und Co-Förderung von Öko-Korn-Nord konnte im Jahr 2018 zum zweiten Mal am Standort Köhlingen bei Tosterglope eine Ertragsprüfung mit Zuchtlinien der Population im Vergleich zu Arantes angelegt werden. Nach Aussaat am 17. April waren die Bestände von Anfang an mit Trockenheit konfrontiert (April:44mm, Mai:4mm, Juni:32mm, Juli:23mm), blieben dünn und licht und von relativ kurzer Pflanzenlänge (max 130cm). Um eine hinreichende Kornfüllung zu sichern, wurde am 9.Juni mit 20mm beregnet. Im Gegensatz zum Vorjahr trat keinerlei Lagerneigung auf. Obwohl der Termin des Ährenschiebens zum Vorjahr nur um drei Tage früher lag, konnte der Ertragsprüfungsdrusch bereits am 25.Juli um 2 Wochen früher als im Vorjahr stattfinden. Die Zeit zum Wachsen und Reifen der Körner war also extrem verkürzt. Pilzkrankheiten spielten unter diesen Umständen fast keine Rolle. Nur vereinzelt trat Schwarzrost auf. Von den Parzellenernten wurden die Gesamtgewichte und die Tausendkorngewichte festgestellt, Kleinproben abgenommen, vermahlen und mittels Fallzahl auf Stärkeverkleisterung bzw. Enzymaktivität untersucht. Von den 89 mit Arantes, der polnischen Sorte Bojko und einer in Dänemark verwendeten kanadischen Sorte Gazelle verglichenen Zuchtlinien hatten diesmal nur zwei einen Ertrag über Arantes. Der Ertragsdurchschnitt aller Parzellen lag bei 21,5dt/ha mit einem Spektrum von 18,5 bis 24,2dt/ha (Standardabweichung: 0,5dt/ha). Gegenüber dem feuchten Vorjahr mit 24,8dt/ha trotz aller Widrigkeiten im Durchschnitt nur um 13% niedriger. Gegenüber Arantes mit 23,7dt/ha erreichte die polnische Sorte Bojko 22,1dt/ha und die kanadische Sorte Gazelle 21,2dt/ha. Hinsichtlich des Tausendkorngewichtes erreichte der Durchschnitt der Zuchtstämme mit 36,5g den Wert von Arantes mit 36,3g. Dabei reichte das Spektrum bei den Zuchtstämmen von 32 bis 41g im Tausendkorngewicht (Ernte 2017: 30-42g). Ein höheres TKG lässt eine höhere Mehlausbeute erwarten.In der Fallzahl wiederum übertrafen 19 Zuchtstämme – also ein Fünftel - das Niveau von Arantes. Aufgrund der Trockenheit konnte sich allerdings auch keine Neigung zu Auswuchs einstellen.
Da bemerkenswerte Verbesserungen bei Ertrag, Korngewichten und Stärkeverkleisterung noch nicht erkennbar und so rasch auch nicht zu realisieren sind, denn die Variationsbreite ist auch mit Winterformen nicht wesentlich verbesserbar, wird der Schwerpunkt auf die Etablierung der Hellkörnigkeit wie beim Winterroggen Lichtkornroggen zu legen sein, um einen milderen Geschmack und gute Bekömmlichkeit zu erreichen und ausreichende Unterscheidbarkeit zu gewährleisten. Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass in den in ersten beiden Ertragsprüfungsjahren benachbart angelegten Ertragsprüfungen mit Nacktgersten ein vergleichbares bis leicht höheres Ertragsniveau erreicht werden konnte, so dass unter dem Blickwinkel der Speise- mit Futtergetreidenutzung Roggen und Nacktgerste als Sommerform unter diesen Standortbedingungen im ökologischen Landbau miteinander konkurrieren. Unter dem Blickwinkel einer Zunahme extremer Witterungsverläufe ist es weiterhin durchaus verfolgenswert, an einer Erweiterung des Spektrums verfügbarer Sommerroggensorten für Brot- und Futterverwendung zu arbeiten. Aber es wäre nicht minder interessant, den Sommernacktgersten mehr Aufmerksamkeit hinsichtlich einer Verbesserung ihrer Verwendbarkeit für die Geflügelfütterung zukommen zu lassen, da Niedersachsen in Deutschland den höchsten Bedarf an Öko-Getreide für diese Verwendungsrichtung aufweist.
Angesichts der verhältnismäßig geringen Ausbeute an Saatgut aus den Zuchtgartenparzellen 2018 aufgrund der extremen Trockenheit in Verbindung mit zu geringer Bestockung wird die Ertragsprüfung in 2019 ausgesetzt, denn die Verwandtschaftsnähe zum Vorjahr ist von wesentlicher Bedeutung für die Selektionsentscheidungen im jeweiligen Zuchtgarten. Eine solche wäre bei Weiterverwendung der Ertragsprüfungsernte aber nicht hinreichend. Stattdessen kann erstmals ein Zuchtgarten angelegt werden, bei dem jeder Microplot auf eine Einzelpflanze im Vorjahr und nicht nur im Vorvorjahr zurückgeht, was die Selektionsbedingungen wesentlich verbessert.
Mit Unterstützung des Landes Niedersachsen (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) und Co-Förderung von Öko-Korn-Nord konnte im Jahr 2019 der Zuchtgarten mit 160 Einzelpflanzennachkommenschaften in je einer Kleinparzelle weitergeführt werden. Gegenüber dem Vorjahr trat nun wieder deutlich Mehltau und Braunrost in Erscheinung. Leider traf ein Hagelschlag diese Versuchsfläche besonders stark, so dass Halme umgeknickt und zerfetzt wurden und ca. 40% dadurch verloren ging. Bei der Einzelpflanzenselektion wurde zwar noch auf den Widerstand gegenüber Rostbefall Rücksicht genommen, jedoch entwickelte sich der Befall noch sehr stark weiter, so dass am Ende gerade einmal noch siebzehn ausgewählte Einzelpflanzen fast rostfrei geblieben sind. Obwohl das Niveau hinsichtlich hohem Tausendkorngewicht und mittelhoher Fallzahl - erfasst am Kleinparzellendrusch - gehalten werden konnte, war die Korrelation der Werte gegenüber den Vorjahreswerten der jeweiligen Zuchtlinien kaum ausgeprägt. Ob dies auf die vor allem aufgrund der Witterungsgegensätze sehr extrem unterschiedlichen Anbau- und Standortgegebenheiten der Jahre 2017 bis 2019 oder auf eine stärkere Fremdbestäubung unter den jeweiligen Gegebenheiten zurückzuführen ist, war nicht bestimmbar. Die Korrelationen waren in den Vorjahren auf deutlich höherem Niveau.
Die Umstände wurden zum Anlass genommen, nun auch gleich den Übergang von ca. 30% Hellkörnigkeit auf nahezu 100% zu vollziehen, indem alle grau-grünen Körner aus dem Einzelpflanzendrusch mit Pinzette entfernt wurden. Dies sollte der Planung nach erst zu einem späteren Zeitpunkt mehr sukzessiv erfolgen, bot sich jedoch aufgrund der zwangsläufig erfolgenden Ernteeinschränkung und damit verbundenen Diversitätsspreizung mangels steigerbarer Selektionsintensität zu diesem Zeitpunkt an, denn 2020 können sowieso nur wieder Einzelpflanzen geerntet werden für dann hoffentlich wieder einen Kleinparzellenanbau in 2021 mit Drusch und Ertragsprüfung in 2022. Es braucht eben einfach Zeit.
Die beiden Jahre 2015 und 2016 bilden nicht nur von den Eindrücken, den die Parzellen auf den Betrachter machten, sondern auch in den Korrelationen von Stärkeverkleisterung und Erntemenge im Vergleich zum Vorjahr den Übergang von der Diversitätsschaffung zur sortenspezifischen Uniformisierung. Es ist aktuell damit zu rechnen, das frühestens im Jahr 2021 erstmalig ausreichend homogenes Saatgut dieser dann an eine ökologische Bewirtschaftung angepassten Populationssorte unter Praxisbedingungen getestet werden kann.
Eine erste Beurteilung einer Körnermischprobe aus der Zuchtgartenernte 2016 aufgrund der direkten Beurteilung von Bildekräften ergab folgenden Eindruck:
Der Brust – Atem – Raum wird in milder Stimmung warm, weich fließend erweitert und das Zwerchfell durch roggentypische Luftaktivität gestärkt. Dabei erhält sich ein guter Stand auf dem Boden. Als seelische Stimmung stellen sich eine gerade Ehrlichkeit, eine Milde im Fühlen, Wachheit und Präsenz, sowie eine Stärkung inspirativer Möglichkeiten ein.
Dies ist eine schöne, offene Ausgangssituation für die weitere Selektionsarbeit.
Mehr zur Bildekräfteforschung...
…wird eine Wüchsigkeit in der Jugendentwicklung kombiniert mit einer mittleren Bestandeshöhe zur Abreife und zufriedenstellende Widerstandsfähigkeit gegenüber Schwarzrost, Mehltau und Blattflecken. Ausgeprägte Standfestigkeit mit mittellangen, überhängenden Ähren darf nicht fehlen, bei hinreichend stabiler Auswuchsfestigkeit und Stärkeviskosität möglichst großer Körner von mildem Geschmack. Letzteres nicht nur für die Brotherstellung, sondern auch damit die Ernte nötigenfalls zur Fütterung verwendet werden kann. Dabei soll die Vielfalt nicht zu sehr eingeengt werden, um eine Modifikation der Population durch einen anderen Züchter an anderem Ort nach vergleichbarer Vorgehensweise, jedoch vom Ablauf her später einsetzend, prinzipiell offen zu halten, denn das ist konzeptionell wünschenswert.
Ermöglicher waren, sind und werden
Unterstützt wurde das Vorhaben anfänglich vom Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft (2010-2013) und dann vom Land Niedersachsen (2014 – 2019) und von Öko-Korn-Nord (2016-2019). Es ist wünschenswert, das Vorhaben mit Unterstützung von Verarbeitern, Anbauern und Roggenliebhabern nicht nur aus Niedersachsen bis zur praktischen Anbaureife weiterverfolgen zu können. Bislang muss jedes Jahr neu dafür geworben werden. Ganz bewusst soll der Projektaufwand unter 25.000 €/Jahr gehalten werden, um als Modell für die stete Weiterentwicklung einer Kultur mit geringerer Anbaubedeutung erkennbar zu bleiben, so dass diese den Anschluss an die Weiterentwicklung der Hauptkulturarten nicht verliert oder sogar der völligen Bedeutungslosigkeit anheimfällt. Bitte helfen Sie uns auf diesem Weg mit Ihrer Spende.
Die nächsten Ergebnisse aus Anbau, Aufarbeitung und Analyse werden auf dieser Website zum Jahresende 2020 bekannt gemacht.