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Cultivari Öko-Getreidezüchtung

Haferzüchtung

  • Accordion Sorte:
    • Accorion Titel: Zusammenhang von Rispengestalt und Korngröße, Accordion Copy:

      Die nachfolgenden Bilder mit verschiedenen Rispentypen enthalten in der linken oberen Ecke jeweils drei Ährchen aus dem unteren, mittleren und oberen Bereich der Rispe. Mit einem weißen Punkt wurde an der Rispe die Stelle vermerkt, an der die Ährchen entnommen wurden. Jedes Ährchen enthält mehrere Blüten und pro Blüte bildet sich ein Korn. Das Bindeglied von Blüte zu Blüte wird mit Stielchen bezeichnet.
      Spelzhafer

      Spelzhafer Bild 1An der Rispe des Spelzhafers (Bild 1) finden sich typischerweise Ährchen mit 2-3 Blüten. Sofern in einer Rispe zwei- und dreiblütige Ährchen vorkommen, finden sich die zweiblütigen mehr im unteren, zentral gelegenen Teil der Rispe, die dreiblütigen im oberen und peripheren Bereich. Dazwischen können Ährchen gefunden werden, die zwar drei Blüten haben, bei denen aber die dritte nur unzureichend ausgebildet und oft verkümmert ist. Der Übergang vom zentralen zum peripherischen Bereich der Rispe ist zusätzlich von einer mehr oder weniger deutlich ausgeprägten Längenzunahme der Stielchen begleitet. Das ist die Verbindung zwischen den einzelnen Blüten eines Ährchens. Auch sind die Stielchen zwischen der ersten und zweiten Blüte meist kürzer als zwischen der zweiten und dritten Blüte.

      Spelzhafer Bild 2Die Unterschiede beim Aufbau der Ährchen vom zentralen zum peripheren Rispenbereich können noch sehr viel deutlicher ausgeprägt sein (Bild 2). Sowohl eine Zunahme der Stielchenlänge, als auch der Anzahl der Blüten pro Ährchen auf bis zu fünf, kann dann festgestellt werden. Auch in diesem Falle sind innerhalb eines Ährchens die Stielchen zwischen der ersten und zweiten Blüte kürzer als zwischen der zweiten und dritten Blüte. Parallel zur Streckung der Ährchen werden bei den peripher gelegenen und zugleich mehrblütigeren Ährchen mit verlängerten Stielchen die Haferkerne von zunehmend weicheren Spelzen nur noch leicht umhüllt. Die basal-zentral gelegenen, dreiblütigen und kurzstieligeren Ährchen weisen Körner auf, die fest von ledrigen Spelzen umschlossen sind. Im Erntegut solcher Rispen findet sich ein erheblicher Teil bespelzter Haferkerne.

      Spelzhafer Bild 3Die Vielblütigkeit kann auch bereits im unteren Rispenbereich einsetzen (Bild 3). Dann finden sich bereits weit überwiegend spelzenfreie Haferkerne und die noch bespelzten Körner stammen von Ährchen aus dem zentral-basalen Bereich der Rispe; innerhalb der Ährchen von den zweiten oder dritten Blüten. Die erste Blüte eines Ährchens entlässt das Korn bereits aus den etwas weicheren Spelzen. Auch bei diesem Rispentyp sind die Stielchen zwischen erster und zweiter Blüte kürzer als zwischen zweiter und dritter Blüte. Die sich abzeichnende Entwicklung von Stielchenverlängerung und Vielblütigkeit in Verbindung mit spelzenfreiem Drusch kann noch stärker ausgeprägt sein (Bild 4). Unter diesen Umständen finden sich im Erntegut nach Siebung und Windsichtung keine bespelzten Körner mehr. Wie sich an der Vielzahl der Blüten und der Ährchenlänge aber bereits ablesen lässt, sind die Haferkerne im Erntegut lang, schmal und somit sehr bruchempfindlich, und innerhalb eines Ährchens zur Spitze hin immer kleiner und kleiner werdend. Zudem können die sehr langen Stielchen bei stürmischer Witterung leicht durchbrechen.

      Spelzhafer Bild 4Für den praktischen Anbau ist dieser Rispentyp weniger empfehlenswert. Er macht aber auf einen Zusammenhang deutlich, der für die weitere züchterische Bearbeitung von Interesse ist.

      Innerhalb eines Ährchens verkürzen sich die Stielchen stetig und sind zwischen der ersten und zweiten Blüte eines Ährchens am längsten. Bei allen vorherigen Rispentypen war das Stielchen zwischen der ersten und zweiten Blüte kürzer als zwischen der zweiten und dritten Blüte eines Ährchens und damit einhergehend traten bespelzte Körner auf. Den vergleichenden Betrachtungen zufolge ist es diese Stauchung im Ährchen die mit festeren, sich beim Drusch nicht lösenden Spelzen einhergeht. Dies weist den Weg zur Lösung des praktischen Problems.

      Spelzhafer Bild 5Es müsste Rispentypen geben, die nur 3-5 Blüten pro Ährchen haben, bei denen aber das Stielchen zwischen erster und zweiter Blüte länger als zwischen zweiter und dritter usw. ist. Wäre diese Eigenschaft gut ausgeprägt, dann dürften alle Haferkerne freidreschend sein und die Stielchen nicht so leicht brechen wie bei den 5-9 blütigen Ährchen; auch die Kornsortierung wäre ausgeglichener. Als dieser Zusammenhang erkannt war, fand sich eine Rispe die diesem Typ bereits sehr nahe steht und die gewünschten Eigenschaften vereinigt (Bild 5). Die etwas ovaler geformten Kerne waren zudem bei Drusch und Aufbereitung weniger bruchgefährdet. Die Ausbeute an marktfähiger Ware liegt unter Praxisbedingungen bereits bei ca. 70%. Dieser Speisenackthafer ist unter der Bezeichnung "Nusso" in der Genbank Aberdeen, Idaho, USA unter der Nummer PI 564722 und in der Genbank Braunschweig-Völkenrode unter der Nummer BGRC 66223 registriert.

    • Accorion Titel: Speisenackthafer-Anbauhinweise, Accordion Copy:

      Das verhältnismäßig weiche Samenkorn des spelzenfreidreschenden Hafers erfordert eine achtsame Behandlung. Leichte Beschädigungen der feinen Samenhaut führen aufgrund des für Hafer typischen, hohen Fettgehaltes zum Verderb (Geschmacksbeeinträchtigung und Keimfähigkeitsverluste). Gegenüber Spelzhafer ist das Korn auch nicht so gut gegen ein Vertrocknen nach Keimbeginn geschützt. Aufgrund höherer Verluste nach der Aussaat wird daher eine Saatstärke von 420 keimfähigen Körnern/m² (ca.120-150kg/ha) bzw. 20% mehr Körner/m² gegenüber Spelzhafer empfohlen. Bei der Aussaat ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der von der Kornbehaarung her bedingten langsameren Fließeigenschaften der Körner im Saatkasten immer genügend Samen nachdrücken, damit später keine Lücken im Bestand auftreten.

      Längere Trockenzeiten während der Vegetation führen zu festeren Spelzen und können damit das Auftreten bespelzter Körner im Erntegut erhöhen. Dem kann durch frühe Aussaat entgegengewirkt werden, wodurch der Schoßbeginn verzögert wird, so dass für die Anlage der Rispen und Ährchen mehr Zeit zur Verfügung steht. Die Ährchen sind dann wegen verlängerter Stielchen größer und die Spelzen weicher. Bei sehr früher Aussaat, insbesondere auf leichten Böden, ist bei nur geringer Saattiefe mit erhöhtem Vogelfraß zu rechnen. Deshalb sollte die Ablagetiefe mindestens 2-3 cm betragen.

      Bei Ernte und Aufbereitung ist darauf zu achten, dass das Korn mechanisch nicht zu sehr strapaziert wird. Der Abstand zwischen Dreschkorb und Schlagleisten im Mähdrescher ist gerade so eng als nötig zu wählen und die Dreschkorbdrehzahl so niedrig wie möglich. Das Korn sollte auch möglichst bereits auf 15% Feuchtigkeit herunter gereift sein (Aufgrund der feinen Behaarung des Korns und seiner Weichheit wird der Feuchtigkeitsgehalt bei sinnlicher Prüfung leicht falsch eingeschätzt).

      Um Qualitätseinbußen hinsichtlich des Geschmacks durch Erwärmung im Lager zu verhindern, sollte gegebenenfalls unmittelbar im Anschluss an die Ernte getrocknet oder mit Luft gekühlt werden. Bei der Aufbereitung (Reinigung) sollte die Anzahl der Arbeitsgänge zur Schonung des Korns möglichst gering gehalten werden. Die Verwendung einer Bürste zur Reduzierung der Kornbehaarung kann zu erheblichen Keimfähigkeitsverlusten führen, was im Hinblick auf die weitere Verwendung (Saat bzw. Sprießkorngetreide) zu berücksichtigen ist. Mit einer durchschnittlichen Saatgutreinigung in Verbindung mit einem Leichtkornausleser ("Tisch") kann im allgemeinen eine sehr gute Ware bei geringer Abfallgetreidemenge erhalten werden. Nach einer Umfrage unter Versuchsanbauern beträgt die Ausbeute an marktfähiger Ware bei einem nahezu vollständig spelzenfreidreschendem Hafer ca. 70% der Ernte.

      Bei Verwendung der eigenen Ernte zur Wiederaussaat sollte eine technische und genetische Vermischung mit Spelzhafer vermieden werden, da Spelzhafer in Speisehafer einen natürlichen Selektionsvorteil hat und im Laufe der Jahre anteilmäßig rasch zunehmen kann. Es sollte daher auf ausreichend Abstand (mind. 500m) zu anderen Haferfeldern, insbesondere mit Spelzhafersorten, geachtet werden oder die Kernfläche extra geerntet werden. Bei den verwendeten Geräten (z.B. Sämaschine und insbesondere Mähdrescher) ist darauf zu achten, dass sie samenrein sind.

    • Accorion Titel: Puplikationen, Accordion Copy:

      PFEIFFER, T. 2017: Hafer als Reis des Nordens, BÖLN-Abschlussbericht 2017

      PFEIFFER, T. 2017: Hafer als Reis des Nordens, BÖLN-Merkblatt 2017

      Interview mit MÜLLER, K.J. und PFEIFFER T. 2016: Hafer-Reis des Nordens, im Infobrief des Saatgutfonds 2/2016, http://www.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de/saatgutfonds/infomaterial/aktueller-infobrief-saatgutfonds/

      MÜLLER,K.J.;SCHMIDT.D. 2013: Erwärmendes Durchlichten - Rispengestaltungen und Lebenskräfte beim Hafer. Zeitschrift Lebendige Erde 5/2013, 42-45.

      MÜLLER,K.J.;SCHMIDT.D. 2013: Rispengestaltungen und Lebenskräfte des Hafers. Projektabschlussbericht.

      MÜLLER,K.J. 2011: Entwicklung eines um Bildekräfte erweiterten Zuchtzieles bei Hafer. Projektabschlussbericht.

Neben dem üblichen Spelzhafer (Avena sativa) existiert auch freidreschender Hafer (Avena sativa ssp. nudisativa)

Korn bespelzt nacktLinks Spelzhafer, rechts Nackthafer

Die im Handel erhältlichen Haferflocken werden gewöhnlich aus bespelztem Hafer hergestellt. Spelzhafer kann durch Anfeuchten und Darren geschält werden. Diese thermische Behandlung führt zusätzlich zur Denaturierung der fettspaltenden Enzyme, so dass das Ranzig-Werden verlangsamt und die Lagerfähigkeit verbessert wird.

Neben dem Bedarf an Haferflocken besteht aber auch ein Interesse an ganzen unbeschädigten Haferkernen zur Verwendung in der Getreidevollwertkost. Zu diesem Zweck wird spelzenfreidreschender Hafer ("Nackthafer") angebaut. In der Fütterung von Geflügel und Rennpferden, besonders in Osteuropa und England wird Nackthafer wegen seines höheren Anteils an Fett und Protein geschätzt. 

Zuchtziele
Entwicklung eines flugbrandresistenten, nahezu vollständig spelzenfreidreschenden Speisehafers mit kaum behaarten Körnern

Korn kahl behaart schwarzLinks kahles, rechts behaartes KornNackhafer ist züchterisch weniger bearbeitet als Spelzhafer, daher bietet er oft nur eine geringe Ausbeute an marktfähiger Ware. Ein Problem ist hierbei der Anteil bespelzter Körner, die mit Verlusten von den spelzenfreien Körnern entfernt werden müssen. Ein höchstmöglicher Anteil an freidreschenden Körnern ist daher wichtig.

Bei der Verwendung als Lebensmittel kommt es zu großen Verlusten durch Bruchkorn. Ursache hierfür sind zum einen allzu lang-schmale Körner und zum anderen eine zu breite Korngrößensortierung im Erntegut. So können Körner kleiner 1,8 mm Siebsortierung nicht in den Getreideverarbeitenden-Unternehmen prozessiert werden. Oft beträgt die Ausbeute an markfähiger Ware nur 50% der Ernte; der Rest muss verfüttert werden. Daher sind die Zuchtziele beim Speisenackthafer größere und rundlichere Körner und eine einheitlichere Kornsortierung. Als weiterer Gesichtspunkt wird die Viskosität (Fähigkeit der Stärke zur Verkleisterung), die für die wohltuende Wirkung des Hafers auf die Magenschleimhaut verantwortlich ist, mit berücksichtigt. Für die Bestimmung der Fett und Proteingehalte wird an einer NIR-Kalibration gearbeitet. Ein zusätzliches Augenmerk liegt inzwischen auf der Reduzierung der Kornbehaarung, da das Kau- und Schluckempfinden von ihr antipatisch beeinflusst wird. Bei den meisten Nackthafer ist die Kornbehaarung stark ausgeprägt. Da Formen bei denen diese gering ist, äußerst selten sind, bedarf es für die züchterische Bearbeitung eines besonders langen Atems. Parallel steht in Darzau eine geringe Anfälligkeit gegenüber Flugbrand stets im Vordergrund. HaferFlugbrandHaferflugbrandDa die Widerstandfähigkeit gegenüber dieser samenbürtigen Krankheit von besonderer Bedeutung für eine kontinuierliche Saatguterzeugung unter ökologischen Anbaubedingen ist. Darüber hinaus werden selbstverständlich die allgemeinen agronomischen Ziele für einen ökologischen Anbau, wie Beikrautunterdrückung, Nährstoffeffizients und Ertrag miteinbezogen.

Die seit Frühjahr 2017 zugelassene Sorte Talkunar ist gut freidreschend, flugbrandresistent als auch großkörnig und somit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung des Zuchtprogramms.

Für die weitere Bearbeitung von Hafer zu Speisezwecken würden wir uns über Förderer freuen, denen gerade dies eine Herzensangelegenheit ist, damit wir uns diesem Getreide mit mehr Hingabe widmen können (siehe Förderung).

Kochhafer

  • Accordion Sorte:
    • Accorion Titel: Hintergrund, Accordion Copy:

      Aufgrund seiner klimatischen Ansprüche kann Reis (Oryza sativa) nicht nördlich der Alpen angebaut werden, ein regionales Produkt ist hier also nicht möglich. Hafer (Avena sativa) als Kochgetreide könnte eine interessante Alternative sein. Bisher erfüllen herkömmliche Ganzkornprodukte mit ihren sehr langen Garzeiten nicht die Ansprüche der modernen Küche. Eine hydrothermische Aufbereitung von Hafer kann da Abhilfe schaffen. Im Unterschied zum Reis ist das Haferkorn in der Konsistenz aber deutlich weicher. Daher entstehen bei der Aufbereitung, sofern der übliche Spelzhafer dafür verwendet wird, sehr hohe Bruchverluste im Entspelzungsvorgang bzw. bei der Politur. Die sogenannten Nackthafer sind daher prinzipiell besser geeignet, da sie bereits beim Drusch aus den Spelzen herausfallen. Wenn nun die Stärke eines Nackthafer, vergleichbar mit parboiled Reis gelatiniert wird, wird das Korn gehärtet und dadurch für eine Politur geeignet. Nach dem Polieren liegt dann ein Korn vor, das den Anforderungen moderner Kochgewohnheiten bestens gerecht wird.

    • Accorion Titel: Das hydrothermische Aufschlussverfahren , Accordion Copy:

      Im Rahmen des BÖLN-Projektes "Hafer als Reis des Nordens" wurde ein hydrothermisches Aufschlussverfahren im Labormaßstab entwickelt und mit ihm ein Sortiment von 108 Hafersorten, Zuchtlinien und genetischen Ressourcen auf ihre Eignung für eine Verwendung im Verfahren geprüft. Versuch TolokniDie Verfahrensschritte aus dieser Untersuchung für die Herstellung von "Tolokni" können unter Abwägung zwischen Ressourcenersparnis, Produktqualität und Verfahrensstabilität wie folgt abgeleitet werden: Der Nackthafer wird im Verhältnis 4:3 (Hafer zu Wasser) ca. 13 Stunden eingeweicht. Nach dem Abgießen des überständigen Wassers wird er in einem abgeschlossenen Gefäß unter 100°C für ca. fünf Stunden gelatiniert. Anschließend muss der Hafer auf einen Feuchtegehalt kleiner 12% rückgetrocknet werden. Es schließt sich eine Politur mit einem Abrieb zwischen 7-10% an. Das Optimum des Polierabriebs muss unter Berücksichtigung der Garzeit des Endproduktes gewählt werden. Beim beschriebenen Verfahren bedarf es für die Zubereitung des Endproduktes 15 Minuten.

    • Accorion Titel: Sortenwahl, Accordion Copy:

      Grundsätzlich sind für eine hohe Ausbeute und Qualität des Endproduktes "Tolokni" möglichst großkörnige Nackthafersorten mit wenig Körnern kleiner 1,8 mm und einem minimalen Anteil bespelzter Körner geeignet. Desweiteren ist für ein ansprechendes Endprodukt die Unversehrtheit der Nackthaferkörner wichtig. Hierfür sind sowohl Schäden beim Dreschen zu vermeiden als auch Partien mit erhöhtem Auftreten von schwarzfleckigem Pilzbefall und/oder Frasschäden durch Frittfliegenbefall auszuschließen. 

      Nach den Ergebnissen der Untersuchungen bezüglich der Qualitäts und der Ausbeute im BÖLN-Projekt "Hafer als Reis des Nordens" waren der Zuchtstamm Darzaus DZA1003b und Talkunar Talkunar FeldSorte Talkunar auf dem Feldam besten für die Herstellung von "Tolokni" geeignet. Andere in Frage kommenden Sorten waren demnach Maczo, Oliver und Saul, wobei sie Defizite bei der Gelatinierungsqualität aufwiesen, die sie jedoch mit einer sehr guten Ausbeute ausgleichen konnten. Verbrannte Körner waren hinsichtlich der Qualität als besonders kritisch zu betrachten, da sie eindeutig als dunklere Körner im Endprodukt erkannt werden können. Von den Sorten Kamil, Cacko, Detvan, Sandokan, Oskar, Tatran, Otakar, Amant, Klimt und Tibor wäre für den hydrothermischen Aufschluss nach den Ergebnissen der durchgeführten Untersuchungen abzuraten.

Trotz reicher Vielfalt an Getreidearten gibt es in Mitteleuropa keine, die es auf unserem Speisezettel mit Reis aufnehmen könnte. Doch das muss nicht so bleiben:

Angesichts der Nachfrage nach glutenfreien Produkten rücken Getreidearten jenseits des Weizens stark in den Fokus. Gleichzeitig legen Verbraucher immer stärkeren Wert auf eine ökologische und regionale Produktion. Erweiterungen des Kochgetreidesortiments als Alternativen zu Reis sind bisher noch deutlich unterrepräsentiert, bieten aber ein authentisches Potential. Talkunar Porzellan roh Reis gekochtkopieNackthafer "Talkunar" v. l. n. r.: unbehandelt, Tolokni-aufgeschlossenen und poliert, zubereiter Tolokni

In der Getreidezüchtungsforschung Darzau untersuchte Tabea Pfeiffer in einem BÖLN-Projekt 2016 bis 2017 wie hydrothermisch-aufgeschlossener Nackthafer als Schnellkochgetreide die Produktpalette der regionalen, ökologischen Getreidebeilagen erweitern könnte. Der hierfür notwendige Verarbeitungsvorgang ähnelt der Herstellung von parboiled Reis. Dabei wird Nackthafer in einem schonenden Verfahren gewässert, gedämpft, rückgetrocknet und poliert. Das Ergebnis ist ein schmackhafter, in 15 Minuten zubereitbarer, aufgeschlossener Nackthafer, kurz "Tolokni".

Der übliche Spelzhafer hat hohe Bruchverluste beim Entspelzen. Nackthafer ist daher besser geeigent, dennoch muss er für den Verarbeitungsvorgang verschiedene Rohstoffeigenschaften vereinen. Ein geringer Anteil bespelzter und möglichst große Nackthaferkörner sind für eine hohe Ausbeute an hydrothermisch-aufgeschlossenem Hafer wichtig. Die Qualität des Produktes hängt unmittelbar mit der gewählten Sorte zusammen. Für den ökologischen Anbau werden aber neben den speziellen Eigenschaften für "Tolokni" auch eine hohe Pflanzengesundheit, Beikrautkonkurrenzfähigkeit und eine Widerstandsfähigkeit gegenüber der saatgutübertragbaren Krankheiten Flugbrand benötigt. All diese Eigenschaften wurden von Getreidezüchtungsforschung Darzau mit den klassischen Züchtungsmethoden, in der im Frühjahr 2017 zugelassene Nackthafersorte Talkunar zusammengeführt. Sie ist für die Herstellung von "Tolokni" besonders empfehlenswert.

Weitere Ergebnisse können sowohl im BÖLN-Merkblatt als auch im BÖLN-Abschlussbericht des Projekts "Hafer als Reis des Nordens" nachgelesen werden. In diesem ist die Untersuchung der über 100 Nackthafersorten auf ihrer Eignung für ein solches Schnellkochgetreide umfassend dargestellt. In einem Interview im Infobrief 2/16 des Saatgutfonds sprach Oliver Willing (Geschäftsführer der Zukunftsstiftung Landwirtschaft) mit Dr. Karl-Josef Müller (Leiter der Getreidezüchtungsforschung Darzau) und Tabea Pfeiffer (Züchtungsassistentin in Darzau) über die Entstehung und der Werdegang der Idee des Reis des Nordens bis zum heutigen Stand.

Talkunar

  • Saatgutbezug:

    Saatgut von Talkunar kann über den Öko-Saatguthandel bezogen werden. Unternehmen, die Z-Saatgut aus Basissaatgut erzeugen möchten, wenden sich bitte an die Biosaat GmbH.

    Für die Aussaat von Nackthafer sollte eine um 20% höhere Anzahl keimfähiger Körner pro Quadratmeter eingeplant werden als bei Spelzhafer. Zur Orientierung sollte zunächst mit 420 keimfähigen Körnern/m² begonnen werden, um dann im zweiten Schritt gegebenenfalls eine betrieblich Anpassung vorzunehmen.

    Für die Ernte ist zu beachten, dass der Mähdrescher wesentlich schonender als für Spelzhafer eingestellt werden muss, um Verluste durch Kornbruch und Kornbeschädigungen im Hinblick auf die Ausbeute möglichst gering zu halten. Schon feine Risse in der Samenhaut führen zur Oxidation der Fette im Haferkorn, reduzieren die Keimfähigkeit und beschleunigen das allmähliche Bitter-Werden der Körner, wenn sie nicht thermisch behandelt werden. Das gilt auch für allzu intensive Reinigungs- und Aufbereitungsvorgänge.

  • Werdegangbeschreibung:

    Talkunar ist aus der zuletzt im Jahr 2004 vorgenommenen Kreuzung der Sorten (Adam x Nusso) x Percy hervorgegangen. Die Entwicklung der Sorte erfolgte im Rahmen einer klassischen Stammbaum-Selektion (Pedigree) auf den Flächen der Biobetriebe im Umfeld von Darzau.

    Die biologisch-dynamischen Präparate wurden und werden in Züchtung und Erhaltungszüchtung angewandt. Talkunar (Kenn-Nr.-AT: 32012 / BSA-Kenn-Nr.: HA 1674) wurde am 20.12.2016 nach zweijähriger Wertprüfung des österreichischen Sortenamtes (AGES) für den Handel zugelassen. Der EU-Sortenschutz wurde vom CPVO am 3.7.2017 unter der Kenn-Nr. EU 47163 erteilt.

    Talkunar wurde bereits als Zuchtstamm unter dem Kürzel Anupsi in Forschungsprojekten zur Bildekräfttequalität untersucht. Dabei zeigte er ein bemerkenswertes Verhältnis von Licht- und Wärmequalitäten mit einer Neigung zu etwas mehr Wärme (zur Publikation).

    Die Angaben zur Werdegangbeschreibung wurden von Karl-Josef Müller verfasst.

  • Züchtungszertifikat: media/acfupload/Talkunar-Demeter-Zertifikat.jpg
  • Accordion Sorte:
    • Accorion Titel: Biologisch-dynamisch gezüchtete Sorte, Accordion Copy:

      Bei Demeter-Erzeugnissen unter Verwendung von TALKUNAR darf darauf hingewiesen werden, dass es sich bei TALKUNAR um eine "biologisch-dynamisch gezüchtete Sorte" handelt. Dies wurde mit Datum vom 31.01.2017 vom Demeter eV bescheinigt. Mehr zur Zertifizierung biologisch-dynamisch gezüchteter Sorten in den Demeter-Pflanzenzuchtrichtlinien.

      Bei allen nach EU-BIO-VO hergestellten Erzeugnissen darf auch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der Sorte TALKUNAR um eine Cultivari-Sorte handelt, die nach der Cultivari-Pflanzenzuchtrichtlinie entwickelt wurde.

  • Qualitätsgruppe: Nackthafer
  • Form: Sommerform
  • Top freidreschender Nackthafer
  • Üppige Massebildung und großkörnig
  • Flugbrandresistent
  • Grundlage für Reis des Nordens
  • Eignung auch als Gänsefutter